Vielleicht fragen sich jetzt manche Eselbesitzer:
„Wieso eigentlich? Wurde doch bis jetzt
auch nicht gemacht und die Tiere fressen
ganz normal!“
Ich möchte mit diesem Beitrag Ihr Interesse wecken,
Ihrem Esel doch genauer ins Maul schauen zu lassen.
Ein erwachsener Esel hat 12 Schneidezähne und 24
Backenzähne. Dazu kommen noch oft 4 Hengstzähne
und bis zu 4 Wolfszähne. Daraus ergibt sich eine Gesamtzahl
von 36 bis 44 Zähnen. Der letzte Backenzahn
befindet sich auf Höhe des vorderen Augenwinkels.
Auch ein Esel hat ein Milchgebiss und ein bleibendes
Gebiss. Der Zahnwechsel beginnt mit etwa 2,5 Jahren,
bis zum Alter von zirka 6 Jahren werden 24 Zähne
gewechselt, weitere 12 Zähne schieben sich zusätzlich
in die Maulhöhle. Der Hauptunterschied zu einem
menschlichen Gebiss besteht darin, dass Eselzähne so
gebaut sind, dass sie sehr zähes Gras zerkleinern können.
Die Natur hat sich dabei Folgendes einfallen lassen:
die Zähne des Esels nützen sich (wie beim Pferd)
beim Zerkleinern des Raufutters kontinuierlich ab (ca.
2 bis 3 mm pro Jahr) und werden dementsprechend
aus dem Kiefer nachgeschoben. Der Zahnschmelz (die
härteste Substanz des Zahnes, weiß) ist zur Oberflächenvergrößerung
bei den Backenzähnen in Falten
angelegt. Außen am Zahn befindet sich eine Schicht
aus Zahnzement. Dieser hat eine braun-graue bis gelbliche
Farbe. Deswegen sind die Backenzähne eines
Esels von Natur aus nicht weiß.
So weit so gut. Allerdings fressen Esel in unseren Breitengraden
nicht das karge, harte Gras, von dem sie
sich ursprünglich ernährt haben. Dadurch nutzen sich
die Zähne zu wenig ab. Es entstehen scharfe Spitzen,
welche Backenschleimhaut und Zunge verletzen können.
Falls bei der Arbeit eine Trense verwendet wird,
besteht erhöhte Verletzungsgefahr. Auch ein eng anliegendes
Halfter oder Zaumzeug kann die Backe vermehrt
gegen diese Zahnspitzen drücken.
Weitere Komplikationen entstehen bei einer Kieferfehlstellung
(Vorbiss). Bestimmte Zähne sind dann
nicht in Kontakt mit dem gegenüberliegenden Zahn.
Diese Zähne werden dann nicht abgenützt und wachsen
ungehindert in die Maulhöhle. Dadurch kommt
es zu einer mechanischen Behinderung der Kaubewegung,
bzw. kann der gegenüberliegende Kiefer verletzt
werden.
An den Schneidezähnen ist ein Oberkiefer-Vorbiss
leicht erkennbar, da dann meist die Zähne des Oberkiefers
(wie die Form eines Papageienschnabels) über
die des Unterkiefers hinaus wachsen. Umgekehrt verhält
es sich bei einem Unterkiefer-Vorbiss.
Große Probleme entstehen auch bei Verlust eines Zahnes.
Dadurch wächst der verbleibende Gegenspieler
ungehindert weiter. Manchmal entstehen auch ungewöhnliche
Stufen oder Wellen.
Über mehrere Jahre kann es dadurch zu massiven
Kaubehinderungen kommen. Das bedeutet, dass
das Futter nur unzureichend zerkaut und dadurch
schlechter verdaut wird. Leider zeigen die betroffen
Esel oft keine Änderung beim Fressverhalten. Meist
ist die einzige Auffälligkeit, dass diese Tiere abmagern.
Weitere Folgen können Kolik bzw. Schlundverstopfung
sein. Manchmal wird das schlecht zerkaute
Heu wieder ausgespuckt, es liegen dann sogenannte
„Heuwickel“ am Boden. Deshalb ist eine gewissenhafte
Zahnuntersuchung durch eine/n geschulte/n Tierarzt/
Tierärztin einmal im Jahr notwendig. Das Abschleifen
von scharfen Stellen, bzw. die Kürzung von
überlangen Zähnen ist eine vorbeugende Behandlung.
Dadurch wird versucht, die Zähne auch im höheren
Alter noch voll funktionsfähig zu erhalten. Falls die
Kaufunktion nicht mehr vollständig erreicht werden
kann, zum Beispiel, wenn bei älteren Tieren die Zähne
schon sehr glatt abgerieben sind, ist das Zufüttern von
Heucobs lebensrettend.
Ich habe mich vor 18 Jahren auf die Zahnbehandlung
bei Pferden, Ponys und Eseln spezialisiert. In den letzten
zehn Jahren hat sich das Wissen in der Pferdebzw.
Eselzahnmedizin zum Glück verbessert. Für mich
ist es selbstverständlich, durch laufende Fortbildungen
am neuesten Stand der Medizin zu bleiben. Es können
auch folgende Erkrankungen vorkommen: Zahnstein,
Karies, Zahnfrakturen und Zahnwurzelinfektionen.
Auch Paradontose kann vor allem bei älteren Tieren
die Kaufähigkeit behindern. Diese Erkrankung ist oftmals
sehr schmerzhaft. Nachdem Esel keine Zahnseide
verwenden können, bleiben eingeklemmte Futterreste
zwischen den Zähnen stecken und verschlimmern dadurch
diese Erkrankung.
Eine Voruntersuchung der Zähne ist bei kooperativen
Tieren und stressfreiem Umgang meist auch ohne Sedierung
möglich. Wichtig ist, dass sich kein Futter im
Maul befindet. Viele Esel lassen sich bereitwillig das
Maul ausspülen.
Ist eine Zahnbehandlung notwendig, werden elektrische
Raspeln verwendet. Um Verletzungen zu verhindern,
bzw. eine genaue Untersuchung und Behandlung
gewährleisten zu können, ist prinzipiell eine Sedierung
notwendig. Dadurch wird Stress für Tier und Personal
vermieden. Normalerweise sind die Esel zwei Stunden
nach der Behandlung wieder völlig munter und hungrig.
Ich freue mich, wenn dieser Beitrag Ihr Wissen erweitern
konnte. Damit Ihr Esel auch morgen noch gut
fressen kann!
Tierärztin Dr. Sabine Pollhammer
Zahnbehandlungen bei Pferd und Esel
Vittorellistr. 7, 4040 Linz
Tel.: 0676/ 936 21 21