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Besuch der Tragtierkompanie in Bad Reichenhall                                                         

                                       von Sabine Deingruber

 

Seit jeher haben die Menschen den Nutzen von Tieren erkannt. Sie erleichtern die Arbeit oder bereichern die Freizeit. Der Transport von Waren oder einfach Reiten auf Esel oder Pferd ist in vielen Regionen täglich zu sehen. Einen besonderen Stellenwert nimmt aber das Maultier ein. Es kommt in der Natur nicht vor, es ist gezielt von Menschen gezüchtet worden um, die Vorteile von Esel und Pferd zu vereinen. Im zivilen wurde das Maultier meist zum Transport von Waren in schwierigen Geländen genutzt. Man sagt, der Wilde Westen wäre ohne Maultiere bestimmt nicht so schnell zu erschließen gewesen.  Heutzutage reduziert sich der Einsatz von Maultieren meist auf Freizeitaktivitäten in privater Haltung. Viele Mulis kann man auch beim internationalen Säumertreffen sehen.

Es gibt aber noch ein Einsatzgebiet in Europa, in dem die Tiere täglich in Gebrauch sind. Es ist das Einsatz- und Ausbildungszentrum für Tragtierwesen 230 der deutschen Bundeswehr in Bad Reichenhall. Kaum zu glauben, dass eine hochtechnisierte, moderne Armee ein jahrtausendealtes Transportsystem wie das Maultier nutzt. „Die Tiere kommen zum Einsatz, wo Mensch und Maschine an ihre Grenzen stoßen. Sie sind unverzichtbares Element zur Unterstützung moderner Operationen“, heißt es in der Bundeswehrbroschüre. Um dies hautnah mitzuerleben, hat sich die Regionalgruppe Bayern Süd-Ost der IGEM Deutschland, am 04. Oktober 2018 auf den Weg nach Bad Reichenhall gemacht. Lange Vorbereitungen waren notwendig, um das Bundeswehrgelände besuchen zu dürfen. Es ist die einzige Möglichkeit in Deutschland die Tiere, die Ausrüstung und den Einsatz „live“ zu sehen und das wollten sich viele Esel- und Mulifreunde nicht entgehen lassen. Pünktlich um 9.00 Uhr holte uns Oberleutnant Maximilian Höfler von der Pforte ab. Nach einem Sicherheitscheck durften wir das Bundeswehrgelände betreten. Dabei konnten wir beobachten, dass ein Zug der Tragtierkompanie auch zivile Aufgaben wahrnimmt. Sechs Maultiere mit ihren Führern verließen die Kaserne, um auf die 1386 Meter hohe Zwieselalm, den notwendigen Proviant oder Baumaterialien zu transportieren. Für die Maultiere ein Training, für den Hüttenwirt eine preisgünstige und umweltschonende Alternative zum Hubschraubertransport.

In der Kaserne wurden wir im TOP modernen Schulungsraum von Frau Oberstabsveterinär Heike Henseler begrüßt. Sie leitet seit April 2017 das Einsatz- und Ausbildungszentrum für Tragtierwesen (EAZ). Es ist immer ein gut ausgebildeter Tierarzt, der die Tragtierkompanie leitet. Frau Henseler startete bestens vorbereitet mit Ihrem Vortrag über den Einsatz von Maultieren und Pferden bei der Bundeswehr. Gespannt verfolgten wir die sehr gut ausgearbeitete Präsentation mit vielen neuen Informationen. Insgesamt sind 90 Tierärzte bei der Bundeswehr im Einsatz, zum Beispiel für Laboruntersuchungen im Auslandseinsatz. Derzeit umfasst die Einheit in Bad Reichenhall 54 Tiere.

Warum Mulis beim Militär? Sie können als einziges Transportmittel bei Tag und Nacht, Regen oder Nebel, für Erkundungen oder den Transport eingesetzt werden. Auch die geräuschlose Fortbewegung in Höhen von 2.000 bis über 6.000 Meter sind ein Garant für die Unterstützung der Gefechtsverbände. Kurz gesagt: Schlechtes Wetter, kein Hubschrauber. Keine Straßen, kein LKW. Wenn technische Mittel versagen, kann man mit Maultieren eine Versorgung herstellen.  Der berittene Einsatz, auch mit Packpferd dient meist zur Erkundung und Raumüberwachung eines Geländes, hier kann man schnell und leise schwierige Geländeabschnitte überwinden.

Viele Soldaten haben in Bad Reichenhall zum ersten Mal Kontakt zu Maultieren oder Pferden. Nach einer militärischen Grundausbildung werden die Rekruten an die Tiere herangeführt. Es folgt eine Ausbildung zum Tragtierführer. Zusätzlich werden einige Soldaten im Reiten oder zum Hufbeschlagschmied ausgebildet. Das Einsatz und Ausbildungszentrum für Tragtierwesen führt auch Ausbildungen für Spezialkräfte durch, die so Tragtiere in Ländern wie Afghanistan einsetzen können.

Auch die Tiere werden ständig trainiert. Die Maultiere müssen „schussfest“ sein, das heißt, sie dürfen bei lauten Schussgeräuschen nicht wegrennen. Interessant ist dabei, dass die Tiere die Ohren vom Lärm wegdrehen, um den Lärmpegel zu mindern. Auch neue Tiere müssen integriert werden. Ziel ist es, zwei bis drei Maultiere pro Jahr zu erwerben. Am besten wäre ein Alter von circa fünf Jahren. Die Mulis sollten umgänglich und Schmiedefrom sein. Sie sollen über eine robuste Statur verfügen. Die Größe sollte über 150 cm sein, bei einem Gewicht von ungefähr 600 bis 700 Kilogramm. Der Erwerb von passenden Mulis ist zurzeit die schwierigste Aufgabe. Es gibt einfach nicht genug gut geeignete Tiere in Europa. Dabei sind nicht die schwersten Tiere die besten, sondern die Kompaktesten. Bei der Auswahl von neuen Maultieren sind stets ein Tierarzt, der Hufschmied und ein Tragtierführer zur Begutachtung mit dabei. Die Maultiere in der Bundeswehr sind bis zu einem Alter von 20 Jahren im Dienst. Bei der Rekrutierung von Tragtieren im Ausland kommen meist kleinere Esel, Muli oder Pferde zum Zuge. Grundsätzlich wäre es auch möglich, dass Esel bei der Bundeswehr in der Tragtiereinheit gehalten werden, es fehlt allerdings die komplette Infrastruktur wie Boxen, Zaumzeug und Tragesysteme.

Maultiere haben eine Marschgeschwindigkeit von 6 km/h in der Ebene, circa 4 km/h am Berg. Beim Lastentransport können sie 400 bis 500 Höhenmeter pro Stunde zurücklegen. Auch Kehren mit einem Radius vom 150 cm meistern sie problemlos. Am Tag erbringen die Tiere eine Dauerleistung von maximal 16 Stunden inklusive Pausen bei einer Strecke von etwa 50 Kilometer. Sie sind unempfindlicher gegen Nässe und Kälte im Vergleich zum Haflinger. Maultiere können 30 bis 40 Jahre alt werden, haben die Ohren und das Mehlmaul vom Esel, vom Pferd den Schweif und das Herdenverhalten. Maultiere sind genügsamer, auch die Futterverwertung ist besser. In hektischen Situationen sind sie nicht so panisch wie Pferde und sind auch noch gelenkiger und viel trittsicherer. Bei maximalen Lastenzuladung von 160 Kilogramm können Mulis locker Stufen mit einer Höhe von 30 cm selbstständig überwinden, je nach Bepackung und Gelände noch höhere Hindernisse. Auch im Winter werden die Mulis genutzt. Neuschnee bis 80 cm sind kein Problem, die Wege dürfen allerdings nicht vereist sein. Dies ist natürlich abhängig vom Alter und vom Ausbildungsstand der Tiere. Alle Maultiere der Tragtierkompanie sind Beschlagen. Im Ausbildungszentrum in Bad Reichenhall sind die Tiere im Schnitt 3-mal die Woche im Einsatz, bei einer Dauer von 4 bis 6 Stunden.

Häufigste Verletzungen sind Kronsaumverletzungen, die durch den Einsatz im steinigen Gebirge hervorgerufen werden. In der Kompanie haben Mulis weniger Verletzungen als die Haflingerpferde. Im Veterinärbereich werden alle Verletzungen vorbildlich behandelt. Es steht ein spezielles Röntgengerät zur Verfügung. Auch eine mobile Liege für operative Eingriffe kann genutzt werden. Der Aufwachraum ist selbstverständlich mit Matten ausgekleidet und hat so gut wie keine Ecken. Damit ist ein „Festlegen“ der zu behandelnden Tiere nahezu ausgeschlossen. Einige separate Boxen für die Equiden dienen zur Beobachtung der Genesung. Bei der Planung jedes Einsatzes der Tiere ist ein Veterinär beteiligt, der die Versorgung der Tiere sicherstellt. Bei Großvorhaben ist der Veterinär natürlich mit vor Ort. Die Tragtierführer verfügen über eine medizinische Grundlagenausbildung, dies sichert die Erstversorgung. Bei Übungen in der näheren Umgebung der Kaserne wird bei schwereren Verletzungen der diensthabende Tierarzt zum Einsatz gerufen. Dieser verfügt auch über eine mobile medizinische Ausstattung, sogar mit Röntgenmöglichkeit.

 

In der vorbildlichen Schmiede stehen alle relevanten Werkzeuge und Hilfsmittel zur Verfügung. Die Soldaten werden zum Hufbeschlagsschmied ausgebildet. Sie müssen aus einem Flachstahl ein Hufeisen anfertigen können. Die Ausbildung ist so ausgelegt, dass im freien Gelände ein Beschlag durchgeführt werden kann. Alle möglichen Beschläge muss ein Hufschmied bei der Bundeswehr in seinem Repertoire haben. Bei jedem Einsatz am Berg ist ein Hufschmied im Zug dabei.

Zum Mittagessen durften wir sogar in das Offiziersheim des Standortes. Das Essen à la Carte kann sich mit jedem Gourmet Tempel der Region messen. Ebenso steht der Service einem Restaurant in nichts nach. So gestärkt konnten wir in den vollen Nachmittag starten.

Eine eigene Reithalle, die mit speziellen Nordsand mit Vlieshäcksel ausgelegt ist, steht zur Ausbildung der Mulis und Haflinger zur Verfügung. Dabei werden die Tragtiere zur Eingewöhnung mit engen Stellen, Wassergräben oder Stangenhindernisse gefordert. Die Bodenarbeit nimmt einen erheblichen Anteil der Ausbildung in Anspruch. Auch plötzlicher Lärm oder überraschend auftauchende Personen werden simuliert. Alle Tiere werden mit Gebiss geführt, dies ist für die Führer sicherer.

Der Transport zum Einsatzort wird meist mit einem hochmodernen, eigens entwickelten Seecontainer, auf Lkw’s durchgeführt. Dabei stehen vier Tiere im 45 Gradwinkel quer zur Fahrtrichtung. Das Fahrzeug ist mit Wasser, Strom, Lüftung, Kamera und Futter aller bestens ausgestattet. Weite Fahrstrecken werden selbstverständlich in Berücksichtigung des Tierwohls mit Ruhezeiten durchgeführt. Das Verladen der Einsatztiere muss regelmäßig geübt werden. Eine Trainingseinheit demonstrierte den Ablauf eines Einsatzes. Ein Lkw fuhr vor, die Maultiere wurden ausgeladen, geputzt, gesattelt und bepackt. Wie in einer Packstraße wurden die Lasten vorbereitet, die Packtaschen werden synchron an die Lasttiere angebracht. Der Tragtierführer kümmert sich dabei ausschließlich um seinen vierbeinigen Partner.

Das ganze notwendige militärische Equipment wird auf Tragsättel gepackt. Diese Sättel haben ein Gewicht von circa 40 Kilogramm. und sind Spezialanfertigungen. In der vorbildlichen Sattelkammer wurden die unterschiedlichsten Tragesysteme aus der ganzen Welt präsentiert. Dies dient nicht nur zu Ausstellungszwecken, sondern auch zum Weiterentwickeln der eigenen Systeme.

Als Abschluss wurden uns verschiedenste Lasten auf den Packsätteln gezeigt und im Detail demonstriert. Der Transport von schweren und sperrigen Lasten wurde uns hautnahe dargeboten. Auch der Verletztentransport am Muli durch eine Universaltrage, die Beförderung der militärischen Ausrüstung, aber auch Körbe und Falttaschen am System standen bereit.

Auf dem Rückweg sahen wir uns noch den großen und geräumigen Paddock im Zentrum der Kompanie an. Die Tiere haben viel Raum für ihre Bedürfnisse zur Verfügung. Ausgestattet mit neuem überdachten Liegeboxen auf Stroh und Raufen mit Heunetzen. Sogar ein Futterautomat rundete den vorbildlichen Offenstall ab.

Zum Schluss holten uns vier Maultiere der Kompanie zum Gruppenbild ab. Ein ganz besonderer Tag bei der Bundeswehr in Bad Reichenhall ging am späten Nachmittag zu Ende. Eine überragende Präsentation des Einsatz- und Ausbildungszentrums für Tragtierwesen 230 durch die Soldaten der Kompanie wird unvergessen bleiben. Einen ganz besonderen Dank an Oberstabsveterinär Heike Henseler für die perfekte Darstellung Ihrer Einheit. Ebenso gebührt Herrn Oberleutnant Maximilian Höfler unser Dank für die tadellose Organisation. Von wegen „alte, verstaubte Nostalgie“, Maultiere sind auch in einer fortschrittlichen, modernen Streitkraft wie der Bundeswehr unersetzlich.

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